Superfeiner positioneller Blick, tiefgründige Strategie und raffinierte Taktik. Der Autor - 20 Jahre Freund, Spielpartner, Trainer und Sekundant von Tigran Petrosjan - offenbart ein völlig neues Bild des 9. Weltmeisters. Die Höhen und Tiefen einer Weltmeisterlaufbahn: Glanzvollen Siegen folgten verheerende Niederlagen.
VORWORT:
Ich hatte Gelegenheit, alle sowjetischen Weltmeister wie auch Euwe und Fischer persönlich kennenzulernen. Den meisten von ihnen saß ich mehrmals in Allunions -und internationalen Wettbewerben am Brett gegenüber. Mit einigen war ich auch privat recht gut bekannt: Mit Smyslow, Tal, Spasski. Besonders enge schöpferische Beziehungen verbanden mich indes mit Petrosjan.
Wir lernten uns 1950 während der 18. Meisterschaft der UdSSR kennen. Ich war dort Debütant, während Tigran an diesem höchst repräsentativen Allunionsforum zum zweiten Mal mitwirkte. In jenen, heute weit zurückliegenden Zeiten waren wir die beiden jüngsten Teilnehmer. Dieser Umstand sowie gewisse gemeinsame Leidenschaften (wie zum Beispiel Opernmusik und Sport) führten zu unserer menschlichen Annäherung. Kurzum, wir freundeten uns an. In der Folge gestalteten sich unsere Beziehungen immer herzlicher. Wir trafen uns regelmäßig auf verschiedenen Veranstaltungen, gaben gemeinsame Gastspiele. Der junge Tigran war ein sehr lebhafter, fröhlicher Mensch. Der künftige, neunte Weltmeister war ausgesprochen umgänglich und mit einem natürlichen, äußerst originellen Humor ausgestattet.
Uneingeweihte stellen oft die Frage: Wie und nach welchem Prinzip wählen die führenden Schachspieler ihre Trainer aus? Zumal sie glauben, dies geschehe durch irgendeine übergeordnete Instanz. Dabei verhält sich das einfacher: Bei der Wahl eines Trainers geben gewöhnlich gute menschliche Beziehungen den Ausschlag.
Nach eben diesem Prinzip wurde ich Tigrans Trainer. Das war Anfang 1963, als er das Kandidatenturnier auf Curacao gewonnen hatte und sich auf den Wettkampf um die Weltmeisterschaft gegen Botwinnik vorbereitete. Das trug natürlich zu einer weiteren Annäherung zwischen mir und dem künftigen Champion bei. Es war mir vergönnt, bei seinen Triumphen in den Wettkämpfen gegen Botwinnik (1963) und drei Jahre später gegen Spasski dabei zu sein. Später brachen andere Zeiten an. 1969 büßte Petrosjan den höchsten Titel im Match gegen denselben Spasski ein. 1971 mußte er im Finale der Kandidatenwettkämpfe eine verheerende Niederlage gegen Fischer hinnehmen, nachdem er zuvor im Viertel- und Halbfinale Hübner und Kortschnoi ausgeschaltet hatte.
Bis 1970 war ich der zweite Trainer Petrosjans, das heißt, ich assistierte meinem alten Freund, dem hocherfahrenen Großmeister Boleslawski. Dann übernahm ich die Rolle des ersten Trainer - Sekundanten.